Rezensionen zu gutingi 250 "Violeta Dinescu - Sieben Rosen hat der Strauch "

zur CD

Fono Forum Mai 2014

Die Erwartungshaltung „Querflöte“ – etwa à la Fasch oder Friedrich des Großen – bedient das hier zu Hörende nicht! Dazu fehlen alle Klischees des Sanften, Hellen, dazu sind viel zu viele Geräusche, schrille Farben, formale Freiheiten im Spiel. ‘Heterophonie‘ ist das Stichwort für Komponistin Violeta Dinescu – horizontale und zugleich vertikale Mehr-Stimmigkeit. Die Urheberin bedient sich beim Komponieren für ihr Lieblingsinstrument alter Techniken aus der rumänischen Volksmusik und dem byzantinischen Kirchengesang und schafft klang-sinnliche Gebilde befremdlich-faszinierender Art.
Dinescus neueste Solo-CD fokussiert allein die Querflöte, und sie birgt – ineinander verschachtelt – zwei Zyklen: Der erste, Titel gebende, „Sieben Ro-sen“ nach einem Brecht-Vers benannt, besteht aus Miniaturen. Wie bei Blumen ist jede den anderen ähnlich, sie wirken schlicht, dunkel, leicht herb, der Volks-ton der reichen traditionellen Musik der Heimat der Komponistin klingt in ihnen auf. Ganz anders die sechs unterschiedlich langen Jocuri (deutsch: Spiele): es sind komplexe Gebilde wechselnder Dichte, die 3, 5, 7, 11, 17 und 31 Stimmen und/oder Instrumente erfordern und schichten.
Ein nahezu idealer Interpret hat alle Stimmen allein eingespielt: Ion Bogdan Stefanescu aus Bukarest, als Solist und Ensemblemusiker ein Experte der Neuen Musik. Ihn nach spieltechnischen Grenzen zu fragen, scheint wenig ergiebig, eher was er an immer noch Neuem einzubringen vermag. Die Klang-welt der Querflöte scheint bei Stefanescu geradezu neu definiert: er spielt sie höchst verwandlungsfähig, theatral, experimentell, extrem körperhaft. Booklet-textautor Egbert Hiller attestiert seinem Spiel Klänge „fast wie Lebewesen, die sich im Moment ihrer Genese der Kontrolle“ ihres Erzeugers entziehen. Die Vision von Wolkenbildern wird zu Rate gezogen, die sich wie in einer Fanta-siewelt auftürmen, überlagern, bespiegeln, aneinander vorüberziehen. 
Auf Violeta Dinescus Jocuri bezogen, ist die Assoziation leicht nach-zuvollziehen. Übereinander montiert, suggeriert das Gefüge der einzelnen Stimmen und Instrumente ein ganzes Ensemblegeschehen – mit Ereignissen auf mehreren Ebenen. Etwas geradezu Magisch-Ritualhaftes geht davon aus.
Frei von bemühtem Avantgardismus wie von historistischer Attitüde – Violeta Dinescus Musik für die solistische Querflöte klingt spannend, außergewöhnlich unverbraucht. Eingespielt wurde diese höchst eigenwillige Produktion von Ion Bogdan Stefanescu im Studio von Radio Berlin Brandenburg. Erschienen ist die Platte unter dem Titel „Sieben Rosen hat der Strauch“ beim Label gutingi.
Deutschlandfunk September 2014 Die neue Platte: Neue Musik,Frank Kämpfer  

 Vor einiger Zeit besprach ich an gleicher Stelle Ion Bogdan Stefanescus CD Forgetmenot mit Flöten-Solowerken von Violeta Dinescu. Nun legt er nach: Das Programm Sieben Rosen hat der Strauch verbindet als Rahmenwerk den Solo-Miniaturenzyklus Sieben Rosen mit Jocuri, sechs Werken für Flötenensemble in unterschiedlichen Besetzungen (nach der Primzahlreihe für 3, 5, 7, 11, 17 und 31 Flöten). Im Multitrack-Verfahren spielt Stefanescu alle Stimmen selbst. Die seit Langem im Deutschland lebende Komponistin Violeta Dinescu hegt eine besondere Vorliebe für die Flöte mit ihrem hochflexiblen Klangspektrum und vielfältigen Möglichkeiten der Tonmodifikation und hat das Instrument mit zahlreichen Kompositionen bedacht. Stefanescu erweist sich hier – wie schon bei Forgetmenot – als idealer, engagierter Interpret ihrer Flötenmusik.
Bei beiden eingespielten Zyklen handelt es sich um Neueste Musik – beide Werke entstanden 2012. Dinescu fährt in ihren „imaginären Flötentanzgesten in einem imaginären Raum“ (fast) die gesamte Palette dessen auf, was sich klanglich (und klangverfremdend) auf einer Flöte machen lässt: Mikrotonalität, Con-voce-Spiel, Finger- und Atemvibrati, Sputato etc..

Klassik heute April 2014. Heinz Braun

 
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