Violeta
Dinescu: Tabu - Rezensionen
Trio
Contraste Zwischen Tag und Traum Auch Hörer von sensiblem Gemüt brauchen sich keine Sorgen zu machen, wenn sie dieses Album mit dem Titel Tabu in das Gerät einlegen; es werden dort nicht etwa Grenzen des guten Geschmacks überschritten, wie der Titel vermuten lassen könnte. Stattdessen handelt es sich um ein sehr reichhaltiges Porträt der Komponistin Violeta Dinescu, einer gebürtigen Rumänin, die seit mittlerweile über drei Jahrzehnten in Deutschland lebt und seit 1996 eine Kompositionsprofessur in Oldenburg bekleidet. Dieses Porträt ist besonders aussagekräftig, weil die Besetzung des rumänischen Trio Contraste mit Flöte, Klavier und Schlagzeug nicht, beziehungsweise nur innerhalb der Grenzen der betreffenden Instrumentengruppen variiert und dadurch die stilistische Bandbreite der sechs vorgestellten Werke umso beeindruckender hervortritt. Der Titel Tabu bezieht sich auf F. W. Murnaus gleichnamigen Stummfilm von 1929/30, der in der Südsee spielt und zu dem Violeta Dinescu 1988 eine Filmmusik beisteuerte, aus der sie 2003 die vorliegende Trio-Fassung erstellte. Eben dieses Trio hebt sich unter den fünf anderen Stücken heraus, weil Dinescu hier – wohl als Resultat der funktionalen Bindung der Musik als Begleitung für einen Film –, am stärksten einen bestimmten Stil, nämlich den eines tonal ganz leicht eingängigen und sehr motorischen Neoklassizismus anschlägt. Die historische Referenz könnte der Strawinsky etwa der Petruschka-Zeit sein. Gespielt wird das vom rumänischen Trio Contraste (nicht zu verwechseln mit anderen Trio-Formationen desselben Namens) sehr anspringend; besonders durch eine ausgefeilte Dynamik versuchen sie höchst erfolgreich, der künstlichen Simplizität der Musik zu begegnen. So trägt diese Musik auch ohne gleichzeitige Filmaufführung – als Film zum Hören. Die
übrigen Werke zeigen stärker das Eigentliche von Dinescus
Musiksprache, gewissermaßen das Wesen ihres Stils, das man als eine
Form der komponierten Interpretation bezeichnen könnte. Das Duo Kata
von 1990 etwa nutzt viele Effekte der Flöte, Überblasen,
gleichzeitiges Mitsingen und multiphonics, die aber gleichsam
leichthändig, spontan wirkend eingesetzt werden. Auch im Trio Et
pourtant c’est mieux qu’en hiver …
(„Und dennoch ist es besser als im Winter …“) teilt sich dem
Hörer kein übergreifender, formaler oder musikserieller Plan mit;
im Gegenteil ist die Musik sehr freiheitlich, lässt atmen, ist
durchaus genießbar, äußert sich also in scheinbarer Assoziation
oder Improvisation, oder, wie der sehr informierte Egbert Hiller es
beschreibt, als „Psychogramm“. In diesem Kontext gewinnen wohl
auch die in den anderen Werken eingesetzten Synthesizer-Klänge, etwa
die Orgel in Lun-Ju,
ihren assoziativen Sinn. Gemein haben diese Stücke, so
unterschiedlich sie auch angelegt sind, dass sie das Vokabular der
Neuen Musik sehr sinnlich und in einladender statt verstörender
Weise vorstellen. Weil das Trio Contraste alle Werke mit Präzision
und Klangschönheit gleichermaßen vorstellt, könnte man diese CD
als Einstieg in zeitgenössisches Komponieren hören – fern von
allen Tabus. Die
europaweit häufig aufgeführte Komponistin Violeta Dinescu, 1953 in
Bukarest geboren, seit 1982 in Deutschland lebend und seit 1996
Professorin an der Uni Oldenburg, ist vielfach mit der Region
verbunden: Orchesterwerke von ihr wurden seit den 80ern in Ulm
uraufgeführt, zuletzt „Vortex“ 1998 im Stadthaus, dem Theater
hat sie die Ballettmusik „Der Kreisel“ geliefert. Auch mit einer
Kammeroper in Stuttgart und ihrer Stummfilmmusik zu Friedrich Wilhelm
Murnaus Klassiker „Tabu“ auf einem Esslinger Festival 1995 war
sie präsent. In Karlsruhe setzte sie sich 2009 mit einem eigenen,
auf einer CD (bei Wendel-Podium, Karlsruhe, erschienen)
dokumentierten Klavierwettbewerb auf der Basis ihres Zyklus „Märchen“
für die Förderung Jugendlicher ein. Eine Wiederbegegnung per
Tonträger mit Dinescu ist jetzt dank einer vom Deutschlandfunk
co-produzierten Disc möglich. Das rumänische „Trio Contraste“
aus dem Flötisten Ion Bogdan Stefánescu, dem Pianisten Sorin
Petrescu und dem Schlagwerker Doru Roman wartet mit einer großen
Klangpalette auf. Die drei Musiker, von denen jeder noch eine Anzahl
weiterer Instrumente spielt, bieten darauf neben sieben
vielgestaltigen Kammermusikwerken, zum Teil dem Trio gewidmet, auch
ein 15-minütiges Arrangement von „Tabu“. Dieses kaleidoskophaft
farbige, rhythmisch spannende und dynamisch entwickelte Stück
fasziniert in seiner exotisch wirkenden Bildhaftigkeit besonders
stark. In idealer Weise werden auf dieser CD der Ideenreichtum der
Komponistin und die Virtuosität des „Trios Contraste“ verbunden.
Auf jeden Fall hörenswert!
Sie
wurde bekannt durch Opern wie "Eréndira", "Schachnovelle"
und vor allem durch die Vertonung des Stummfilmklassikers "Tabu".
Dass die rumänische Komponistin Violeta Dinescu sehr wohl auch die
"kleine Form" beherrscht, beweist die neue CD des Trios
Contraste, das sich in verschiedenen Formationen - mit Flöte,
Schlagwerk und Klavier - vor allem zeitgenössischer Musik widmet.
Mittelpunkt dieser Platte mit Kammermusik von Dinescu ist das
sinnlich flirrende "Tabu", hier in einer komprimierten
Fassung. Auch Kompositionen wie das in schwingendem Musiziergestus
interpretierte "Kata", das von fernöstlichen Gefilden
inspirierte "Lun Yun", oder die nach mathematischen
Strukturen konzipierten "Arabesques" beweisen: Neue Musik
muss keineswegs dröge klingen - diese CD ist Faszination pur!
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