Rezensionen gutingi 248 - Der Schlüssel der Träume  

zur CD

Traumbilder
Das rumänische Trio Contraste ist mit den Klangvorstellungen von Violeta Dinescu seit Jahrzehnten vertraut und spielt hier fast durchweg Neufassungen. Der rote Faden, der diese Nachtmusiken zusammenhält, ist „Der Schlüssel der Träume“ (2011), inspiriert vom gleichnamigen Bild Margrittes: zehn lyrische Miniaturen, die nicht selten an George Crumbs „Makrokosmos“ erinnern. Melodische Inspiration, Klangfarbenreichtum und die Einbeziehung östlicher Folklore kennzeichnen auch Stücke wie „Bindfaden“ (2008), in dem die schrillen Farben der chinesischen Oboe „Suona“ auffallen. „Le rocher tremblant de sept faux“ reflektiert die südfranzösische Felsformation mit skulpturaler Präsenz.
Fonoforum Juli 2013


Schlüssel zu unseren Seelenräumen
Die deutsch-rumänische Komponistin Violeta Dinescu lässt sich vom Surrealismus René Magrittes inspirieren. Ihre Musik wirkt manchmal wie klanggewordene Psychoanalyse.

Der Klang - ein Traum. "Man kann in Klängen träumen. Da erlebt man, wie Klänge in einem sind, die schon existieren. Ich versuche diese Klänge, die schon längst existieren und nur für andere noch unhörbar sind, ins Leben zu bringen." Das sagte Violeta Dinescu einmal über ihr Komponieren. Die rumänische Komponistin, 1953 in Bukarest geboren und seit 1982 in der Bundesrepublik lebend, gehört heute zu den profiliertesten Komponistinnen der zeitgenössischen Musik.
Als sie nach Deutschland kam, fand sie, dass komponierende Frauen, im Gegensatz zu ihrer Heimat, im Musikleben entschieden unterrepräsentiert seien, was allerdings schon 1982 in dieser Entschiedenheit sicher nicht mehr stimmte. Auf jeden Fall hat Dinescu hierzulande und international rasch Karriere gemacht. Stipendien, Lehraufträge, Gastvorträge bis in die Vereinigten Staaten begleiteten die wachsende Zahl von Aufführungen ihrer Werke in Europa, Amerika und sogar in Südafrika. Dass ihr Vater, der den Musikerberuf für unseriös hielt, sie einst zwang, auf einem naturwissenschaftlichen Gymnasium Mathematik und Physik zu studieren, erwies sich schließlich doch noch als gewinnbringend: Mathematische Prinzipien sind für die Komponistin von besonderer Bedeutung. Und bei den Salzburger Festspielen 1985 erhielt sie ein Stipendium der Herbert-von-Karajan-Stiftung für das Symposion "Musik und Mathematik". Vielen ihrer Kompositionen liegen arithmetische Strukturen zugrunde. "Die Mathematik hat mir geholfen, den Weg zu meiner eigenen Sprache zu gehen", sagt Dinescu. Seit 1996 bekleidet sie eine Professur für angewandte Komposition an der Universität Oldenburg.
Violeta Dinescu hätte also schon mit ihren zahlreichen Beschäftigungen hinreichend zu tun. Aber sie findet daneben auch erstaunlich viel Zeit, um ihr kompositorisches OEuvre zu erweitern. Auffallend die Zahl der vorliegenden Werke für das Musiktheater: die Oper "Hunger und Durst" nach dem gleichnamigen Stück Eugène Ionescos, die Kinderoper "Der 35. Mai" nach dem Roman Erich Kästners, die Opern "Eréndira" nach einer Erzählung von Gabriel García Márquez und, für die Schwetzinger Festspiele, "Schachnovelle" nach Stefan Zweigs Erzählung (die Novelle wurde jüngst auch von Cristóbal Halffter vertont). Das ist schon ein imponierendes Gesamtwerk, zu dem noch Ballette und Filmmusiken treten.
Wie so oft gewinnt man tiefere Einblicke in die Geheimnisse ihres Schaffens in den kleineren Formaten. So legte jetzt das Label "Gutingi" zusammen mit dem Rundfunk Berlin-Brandenburg und der Charisma Musikproduktion eine Neueinspielung von Dinescus Werk "Der Schlüssel der Träume" vor. Das Stück entstand 2011 für die Besetzung Violine, Violoncello und Orgel. Für die CD-Aufnahme passte Dinescu die Instrumentation an die Besetzung des Ensembles "Trio Contraste" mit dem Flötisten Ion Bogdan Stefanescu, dem Schlagzeuger Doru Roman und dem Pianisten Sorin Petrescu an.
Die drei Musiker dringen mit großer Intensität in den Klangkosmos der insgesamt zehn Einzelstücke ein. Das erste, "Schlüssel der Träume" betitelt, kehrt noch dreimal wieder und bildet eine Art Klammer für die anderen Teilstücke, die wiederum in vier Abschnitte gegliedert sind. Durch die gespannte, weiträumig disponierte Interpretation erscheinen die Einzelteile gleichsam als Einheit: wie ein in einem Kaleidoskop aufscheinender, sich immer wieder neu ordnender und überlagernder Traum, der in seiner surrealen Atmosphäre gleichwohl eine klare Struktur aufscheinen lässt. Man denkt unwillkürlich an Bilder des Malers René Magritte, und tatsächlich ließ sich Violeta Dinescu besonders von dessen gleichnamigem Bilderzyklus inspirieren.
Bild-Klang-Vorlagen gibt es auch bei zwei anderen Teilen: Zu dem Stück "Bindfaden" regten die Komponistin die subtilen Draht-Bindfaden-Skulpturen des Plastikers Fred Sandback an; bei "Le Rocher tremblant de Sept Faux" inspirierte sie die gleichnamige Felslandschaft bei Toulouse. Man darf dabei natürlich nicht an die "Alpensinfonie" von Richard Strauss denken. Dinescu findet für die Übersetzung des Optischen signifikante Klangstrukturen und Lineaments, die in einer Art "Verwandlung" wiederum ins Traumhafte hinübergleiten. Das alles ist mit faszinierender Imaginationskraft gestaltet. "Le Rocher tremblant" überwältigt geradezu durch die klare Energie, die aus dem Bildtraum hervorbricht.
Man muss schon in die geheimnisvollen Tiefen der Romantik und ihrer Liedkomponisten zurückblicken, um vergleichbare Wirkungen zu erfahren. Richard Wagners "Träume" aus den Wesendonck-Liedern klingen auf. Und wenn man noch weiter zurück in die Musikhistorie schaut, kommt einem Lullys Oper "Atys" in den Sinn. Hier gibt es eine grandiose Traumszene mit Flötenmusik, narkotisierend fast, als wäre sie zu Sigmund Freuds Psychoanalyse geschrieben. Auch Violeta Dinescus "Träume" finden den Schlüssel in diese Seelenräume.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, Juni 2013, GERHARD ROHDE


 

Die aus Bukarest stammende und in Oldenburg lehrende Komponistin Violeta Dinescu legte 2013 eine neue CD ihrer Kompositionen vor mit dem Titel : „Der Schlüssel der Träume“. Ein weiterer Gedanke, den das Booklet enthält ist: „In Klängen träumen!“ Musik vermag zu Träumen anzuregen, vermag, den Hörer in Träume fallen zu lassen, Grenzbereiche zu erschließen, sie auszuweiten, nie gehörtes hörbar zu machen, Klangträume zu evozieren. Die geschieht unter Zuhilfenahme der Struktur, die oft erst die Realisation des Traums ermöglicht. Aber auch der Traum ist in der Lage, erst die Struktur zu seiner klanglichen Umsetzung zu öffnen. Der Titel der CD, der Kompositionen, stammt von einer Bilderserie René Magrittes. Seine Bildbezeichnungen führen den Betrachter auf eine „falsche Fährte“, suggerieren Assoziationen, die sich von der Realität in den Traum wegbewegen. Die „Nummer I“ der Stücke schließe die Träume sozusagen auf, die Komponistin betrachtet dieses erste Stück als „Schlüssel“ zu den weiteren Stücken, deren Motive sich im Sinne von Leitmotiven: „leicht verändert , kaum verändert, immer wieder anders und trotzdem jedes Mal erkennbar“, so die Komponistin, entwickeln. Immer wieder dominiert die Klanglichkeit der Flöte, leise , verhalten, mitunter schrill und schreiend, dann wird der Klang aufgefangen durch das Schlagzeug, unterbrochen, dann erinnern der Klang und die Tonfolge an fernöstliche Blasinstrumentenklänge, dann schnalzt und zwitschert es, Schlaginstrumente und Flötenklänge durchdringen einander, so dass es ein Hörrätsel ergibt, welches Instrument diese Klangfolgen ursprünglich inszeniert. Die Anordnung der Stücke scheint der Form eines Rondos zu folgen: Schlüssel der Träume 1-4; Bindfaden; Schlüssel der Träume 1,5,6; Le Rocher tremblant de Sept Faux; Schlüssel der Träume 1,7,8a, 8b; www.weiß.wirkt.wunder; Schlüssel der Träume 1,9,10. Für die Interpretation der „Schlüssel der Träume“ konnte die Komponistin das „Trio Contraste“ gewinnen, Ion Bogdan Stefanescu, Flöte; Doru Roman, Schlagzeug; Sorin Petrescu, Klavier, Musiker, die Violeta Dinescu langjährig verbunden sind. Ein Reiz, sich auf die „Schlüssel der Träume“ und sich auf die evozierten Assoziationsräume einzulassen.
Kulturradio, Rundfunk Berlin-Brandenburg 2012, Prof. Dr. Ute Büchter-Römer

 

Der Schlüssel der Träume - Musik von Violeta Dinescu

Musik – farbig wie ein Kaleidoskop

Seit ihrer Übersiedlung nach Baden-Württemberg vor rund 30 Jahren hatte die aus Rumänien stammende Komponistin Violeta Dinescu hier viele Erfolge. Opern, Ballette, Konzert- und Filmmusiken der heutigen Professorin in Oldenburg wurden unter anderem in Ulm und Stuttgart uraufgeführt. Auch international ist Dinescu anerkannt und etabliert. Besonders ideenreich sind ihre kammermusikalischen Werke wie die der neuen CD „Schlüssel der Träume“. Am Anfang von vier Serien des Titels steht ein kurzes lyrisches Klangspiel, das zu den unterschiedlichsten Abläufen führt: zu pulsierenden Rhythmen mit Xylophon, expressiven Zusammenballungen, neuen markanten Themen. Immer wieder faszinieren die Virtuosen des „Trios Contraste“ - Ion B. Stefanescu, Flöte; Doru Roman, Schlagwerk; Sorin Petrescu, Klavier – mit makelloser Technik, Gespür und auch improvisatorischem Vermögen. Ebenso reizvoll wie dieser von der Malerei René Magrittes inspirierte Zyklus sind drei weitere zwischen den Serien eingebettete Stücke: kaleidoskophaft farbige Musik ganz auf der Höhe der Zeit, gleichzeitig geistvoll und voller Charme.
Süddeutsche Zeitung April 2013, Günter Buhles

 
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