Nachhall einer Liebe

George Sand & Frédéric Chopin

klassik.com Februar 2007, Florian Hobert

Die Edition Ohrwurm legt hier erneut eine hochinteressante ‘Hörcollage’ vor, die die in der musikhistorischen Literatur gerne zitierte (und ebenso gerne mit phantasiereichen Details ausgeschmückte) Beziehung zwischen Frédéric Chopin und George Sand auf besondere Weise untersucht: zu Wort kommen die Beteiligten selbst, und zwar in Briefen und Musik. Ergänzend wird nur Chopins Freund und Künstlerkollege Franz Liszt zu Gehör gebracht, der mit seinem Chopin-Buch zu einem der ersten Biographen des polnischen Musikers zählt.

Für Sand war Valldemossa und Umgebung ‘einer der schönsten Orte, die ich jemals sah’ und auch Chopin musste zu Anfang des Aufenthalts in einem Brief an einen Freund feststellen: ‘Und was mein Leben betrifft, so lebe ich etwas mehr: Ich bin in der Nähe dessen, was am schönsten ist.’ Leider verbesserte sich Chopins Gesundheitszustand nicht, im Gegenteil: Tuberkulose wurde diagnostiziert, das gemietete Landhaus musste verlassen werden, da Anwohner Angst vor Ansteckung hatten. Die Kartäusermönche boten Sand, ihren zwei Kindern und Chopin eine Ersatz-Unterkunft im Kloster an. Von einem ‘Liebesnest im Kloster’ zu sprechen, wie es heute gerne verklärt dargestellt wird, ist in mehrerlei Hinsicht verfehlt: Das Kloster war eine Notlösung, es war kalt, man musste die Zellen mit Teppichen auslegen und mehrere Öfen aufstellen, zudem war Sands Zuneigung zu Chopin eher mütterlicher Natur, sie war nicht seine Geliebte. Auch die Begleitung der zwei Kinder Sands passt nicht zu der Idee einer romantischen Liebesgeschichte, als die der chopinsche Aufenthalt auf Mallorca oft begriffen wird.

Chopin arbeitete hart auf Mallorca, davon zeugen noch heute die in dem Kloster ausgestellten Handschriften, auf denen lange Passagen gestrichen, verworfen oder unleserlich gemacht worden sind. Sand sprach besorgt von Chopins ‘fürchterlichen, herzzerreißenden Ideen’, sie meinte die 24 Préludes, die auf Mallorca entstanden sind. Stellvertretend für den Zyklus hört man auf dieser CD eine herrlich klare Interpretation des legendären Des-Dur Prélude. Schade, dass nicht weitere Préludes auf der CD versammelt sind. Fein ausgestaltete Einspielungen der Sonate in h-Moll oder der Ballade in f-Moll gleichen diesen Mangel jedoch mehr als aus: Auch bei größter Klangdichte vermag Pianist Gerrit Zitterbart Farbgebung einzusetzen, dabei stets das für Chopin typische cantabile betonend, das führende gesangliche Moment der Komposition. Zitterbart weiß zu unterscheiden, wo Nachdenklichkeit und wo stürmische Brillanz geboten ist. Dabei widmet er nicht nur den führenden Linien seine Aufmerksamkeit, auch die Begleitung wird nie vernachlässigt – eine Gefahr bei einer Überbetonung des liedhaften Elements bei Chopin.

Wer allerdings einzig und allein der Musik zuhören möchte, sollte besser die zwei von Zitterbart eingespielten Chopin-CDs erwerben (erschienen bei Tacet und Gutingi), auf die die Macher der vorliegenden Hörcollage zurückgreifen. Denn hier, und darauf weist der Begriff ‘Collage’ hin, werden Musik und Wort miteinander kombiniert. Es erklingen die Anfangstakte des Andante spianato, kurz darauf beginnt der sonore Rezitator Klaus Heil mit dem ersten Zitat Chopins (‘Ich habe eine große Berühmtheit kennen gelernt, Madame Dudevant, bekannt unter dem Namen George Sand. Ihr Gesicht ist mir nicht sympathisch und sie hat mir überhaupt nicht gefallen.’). Beantwortet wird dieses Zitat noch im selben Stück von der für die sehr gewitzte Textauswahl zuständigen Brigitta Mazanec, die George Sands ersten Eindruck von Chopin verliest (‘Sagen Sie, dieser Chopin, ist das ein Mädchen?’). Es folgt – das Andante spinato wird nun langsam ausgeblendet – Liszts Eindruck über Chopin. Diese Überblend-Techniken und Zugehörbringen nur von Ausschnitten lässt die eine knappe Stunde dauernde CD erfrischend kurzweilig erscheinen.

Im Booklet findet man einen ausgewogenen Text von Brigitta Mazanec, der die Zitate sinnvoll ergänzt. Eine genauere Angabe der Zitate im Booklet wäre allerdings wünschenswert. Vielleicht beim nächsten ‘Musik und Wort-Projekt’ der Edition Ohrwurm? Man darf gespannt sein. Alles in allem ist diese ‘Hörcollage’ jedem Menschen, der gerne Chopin hört, sehr ans Herz zu legen.


Magazin Frankfurt Januar 2007

Neun Jahre hatte der polnische Musiker Frederic Chopins ein Verhältnis mit der Schriftstellerin George Sand. Chopinfreunden und Literaten kommt sofort das Kloster Valldemossa auf Mallorca in den Sinn, wo Chopin und die Schriftstellerin einen schaffensreichen Winter verbrachten. Die Abneigung gegen die acht Jahre ältere Sand, von der er anfangs sagte "was für eine unsympathische Frau", hatte sich inzwischen zu einer engen Beziehung entwickelt. Der Vater der französischen Malerei des 19. Jahrhunderts, Eugene Delacroix, hatte zuvor ein Doppelportrait der beiden Künstler geschaffen. Brigitta Mazanec hat Originaltexte von George Sand, Chopin und dessen Freund und Konkurrenten Franz Liszt zusammengestellt. Ganz konnte auch Mazanec nicht auf den berühmten „Winter auf Mallorca“ verzichten, in dem George Sand ihre Erfahrungen widerspiegelt. Chopin sollte sich auf der Baleareninsel eigentlich von seiner Tuberkulose kurieren, doch statt dessen verschlechterte sich sein ohnehin fragiler Gesundheitszustand weiter. Die ineinander verwobenen Texte treffen unkommentiert aufeinander, den Kommentar schreiben quasi die Briefschreiber selbst. Wie war das Verhältnis der Künstler zueinander? Eine egozentrische George Sand oder eine aufopferungsvolle Geliebte? Ein überempfindlicher Chopin oder ein zartfühliges Musikgenie, der von der Beziehung zur Sand profitierte.

Das Hörbuch schildert sehr schön die kleinen Dissonanzen, die zwischen den Künstlern auftreten. Musikalisch begleitet wird das Panorama von Chopins Klaviermusik, die Gerrit Zitterbart feinfühlig zusteuert. Chopin, der die Musik als Ausdrucksmittel einsetzt, hat in den Préludes, die auf Mallorca entstanden, seine Empfindungen viel besser auszudrücken vermocht, als durch seine Briefe. Gekonnt auch die eingestreuten Texte Liszts, der die fehlenden Facetten des Beziehungsgeflechts ausleuchtet. Ein schönes Hörbuch, das nicht nur Freunde der Musik Chopins vergnügt aufhorchen läßt.


Hessischer Rundfunk Januar 2007, Ruth Fühner

Auf den ersten Blick wirkt der Ansatz des Hörbuchs „Nachhall einer Liebe“ über die neunjährige Affäre Frederic Chopins mit der Schriftstellerin George Sand sympathisch bescheiden – doch er reicht, bei genauem Hinhören, viel weiter. Brigitta Mazanec hat diese Originaltexte von George Sand, Chopin, dem Freund und Konkurrenten Franz Liszt und anderen Zeitzeugen zusammengestellt – im Zentrum natürlich auch hier jener berühmte „Winter auf Mallorca“, der Chopin eigentlich von seiner Tuberkulose heilen sollte, ihn aber nur noch kränker machte. Die Texte treffen ohne Kommentar aufeinander – umso vertrackter und vergnüglicher kommentieren sie sich gegenseitig. War George Sand nun enerviert und rücksichtslos oder ständig liebevoll um Chopin bekümmert? War der Komponist ein überempfindlicher Paranoiker oder einfach nur ein hoch sensibles Genie? Tat ihm die Beziehung zu George Sand wirklich gut?, wie Franz Liszt es sah: (Hörbeispiel) Schön wird die Wahrheit dieser Liebe in der Schwebe gehalten, als Hörer muss – nein: darf - man sich sein eigenes Bild machen, die Urteilskraft wie ein Detektiv schärfen an den kleinen Dissonanzen, den Reibungen zwischen unterschiedlichen Perspektiven. Auch in diesem Hörbuch perlt die Musik mitunter im Hintergrund dahin – und hat doch eine ganz andere Funktion: hier wird nicht behauptet, Musik und Worte drückten im Grund dasselbe aus, was die Musik letztlich ja überflüssig machen würde. Die Musik steht hier für das, was sich eben mit Worten nicht sagen lässt, und wenn sie von anderen, von Liszt etwa oder von George Sand, interpretiert wird, bewahrt sie ihren Stachel, ihren Eigenwert, und widerspricht auch dem, was über sie behauptet wird.

„Nachhall einer Liebe“ – ein Hörbuch, bei dem es auf die Zwischentöne mindestens ebenso ankommt wie auf das, was ausgesprochen wird. Und das ist immer ein großes Vergnügen.


Norddeutscher Rundfunk Januar 2007, Ulrike Sárkány

Hörbücher des Jahres (2006)

Noch vor einem Jahrzehnt waren Hörbücher eine relativ exzentrische Neuheit aus England und Amerika. Zwar erfreuten sich die Vorlesereihen im Radio großer Beliebtheit, aber Schallplatten, auf denen Texte vorgetragen wurden, waren eine große Seltenheit. Zuerst gab es die Hörkassetten für Kinder, und dann, etwa zeitgleich mit der endgültigen Ablösung der Schallplatte durch die CD, entdeckten plötzlich die Erwachsenen ihre Begeisterung für diese akustische Lektüreform. Inzwischen gehören Hörbücher zum Alltag. Jeder erfolgversprechende neue Roman erscheint zugleich auf CD, vorgelesen von beliebten Schauspielern wie Eva Mattes, Nina Hoss, Ulrich Matthes, Jan Josef Liefers oder Ulrich Noethen. In der Flut der Hörbuch-Neuerscheinungen im nun ablaufenden Jahr 2006 gab es einige ungewöhnliche Juwelen.

Neben der Massenware gehen die echten Liebhaber-Produktionen leicht unter, wie zum Beispiel die Hörcollage „Nachhall einer Liebe“, erschienen in der kleinen Edition Ohrwurm, mit Zeitzeugnissen über Frédéric Chopins Beziehung zu George Sand, die keineswegs von Zuneigung auf den ersten Blick geprägt war:

„Ich habe eine große Berühmtheit kennen gelernt. Madame de Dudevant, bekannt unter dem Namen George Sand. Ihr Gesicht ist mir nicht sympathisch und sie hat mir überhaupt nicht gefallen. Es ist an ihr sogar etwas, das mich abstößt. Was für eine unsympathische Frau ist doch diese Sand, ist’s denn wirklich eine Frau? Ich möchte es bezweifeln.“ „Sagen Sie, dieser Chopin, ist das ein Mädchen?“


Mallorca Zeitung März 2007, Tom Gerhardt

Die sagenumwobene und fast magisch mit der Insel Mallorca verbundene Liebesbeziehung zwischen dem polnischen Schriftsteller Fréderic Chopin und der französischen Schriftstellerin George Sand hat schon viele zu Recherchen und Spekulationen inspiriert. Jetzt ist sie Thema eines Hörbuches, in dem Textpassagen aus Briefen der beiden Künstler mit Chopins auf Mallorca komponierten Stücken kombiniert werden.

„Was für eine unsympathische Frau sie doch ist! Ist sie denn wirklich eine Frau? Ich möchte es fast bezweifeln", urteilt der Komponist nach einem der ersten Treffen mit Sand. „Sagen Sie, dieser Chopin, ist das ein Mädchen?", antwortet die Schriftstellerin an einer anderen Stelle. Es begann eine ein Jahrzehnt andauernde und dann abrupt endende Beziehung, die ihren Höhepunkt auf Mallorca hatte: Sand verbrachte den Winter 1838/39 mit ihren beiden Kindern auf Mallorca, um das Rheuma ihres Sohnes zu kurieren. Der unter Tuberkulose leidende Chopin begleitete die Familie. Doch auf der Insel fürchtete man die Ansteckungsgefahr. Die von den Mallorquinern misstrauisch beäugte uneheliche Familie musste das gemietete Ferienhaus verlassen und fand Unterschlupf bei den Kartäusermönchen in Valldemossa.

Das Hörbuch „Nachhall einer Liebe" lässt die Protagonisten des Dramas ihre Geschichte selber vortragen. Als Außenstehender wird nur noch Franz Liszt befragt, in dessen Haus sich der damals schon berühmte und einen ausschweifenden Lebensstil führende Musiker und die zigarrenrauchende Schriftstellerin resoluten Auftretens das erste Mal kennen gelernt hatten.

Unterbrochen werden die gesprochenen Textpassagen von Hörproben der in der entsprechenden Zeit entstandenen Stücke. Pianist Gerrit Zitterbart interpretiert unter anderem auch das legendäre Des-Dur-Prélude, das Robert Schumann als etwas „Krankes, Fieberndes, Abstoßendes" empfand. „Regentropfen-Prélude" bezeichnen andere das Stück - in der Annahme, dass es in jener stürmischen Nacht geschrieben wurde, in der Sand mit ihren Kindern wegen eines heftigen Unwetters erst um Mitternacht heimkehrte. Chopin soll von Sands Tod überzeugt gewesen sein. Als die Vermisste schließlich zur Geisterstunde rückkehrte, soll es sie einige Zeit gekostet haben, den fantasierenden Chopin von ihrem Überleben überzeugen zu können. Sand empfand die Kompositionen ihres Freundes als „fürchterliche, herzzerreißende Ideen".

 
 
Impressum | AGB