Rezensionen zu »Was machst du mit dem Knie, lieber Brahms?«

Der Göttinger Pianist Gerrit Zitterbart ist neben seiner Tastenkunst auch ein munterer Erzähler. Hier stellt er vier Parodie-Variationen vor, die bekannte Melodien – etwa: »Kommt ein Vogel geflogen« – in den Stil großer Meister versetzen. Knappe, kluge Kommentare machen daraus eine musikhistorische Vergnügungsreise.

Der Spiegel, KulturSPIEGEL 9/2005 Johannes Saltzwedel


Stilkunde leicht gemacht
Es scheint, als trauten sich erst in jüngerer Zeit wieder einige, von Humor in der Musik zu sprechen. Zu Ernst wollten einige der Musiker, und auch einige des Publikums bei den Konzerten der fehlbezeichneten »ernsten« Musik verstanden werden. Geradezu erlösend scheinen da die parodistischen Variationen von Siegfried Ochs, Karl Herrmann Pillney, Hans Priegnitz und Joachim Volkmann. Mit ihren Adaptionen der Stile großer Meister, angewendet auf Melodien bekannter Volkslieder, heben sie einen Teil jenes Ernstes auf, der wohl hinter dem einen oder anderen Original gesehen wurde. Gerrit Zitterbart spielt sämtliche Stücke auf der Aufnahme, und durch seine Moderation ermöglicht er einen entspannten Genuß, bei dem man sich ohne Lektüre zurücklehnen und amüsieren kann.
Moderat moderiert
Gerrit Zitterbarts Interpretationen der zumeist sehr kurzen Stücke werden jeweils mit einem kurzen Kommentar eingeleitet. Durch sein vielseitiges Repertoire von Scarlatti bis Stockhausen fällte es dem Pianisten offensichtlich leicht, durch die Epochen der Musikgeschichte zu springen und jeweils in aller Kürze genau den Eindruck zu vermitteln, welchen der Komponist wohl im Geiste auszukomponieren suchte. Die zum Teil technisch anspruchsvolleren Stückchen werden dem Hörer auf derart leichte Art präsentiert, daß dieser sich mit Genuß auf die humoristischen Aspekte konzentrieren kann.
Die Leichtigkeit, mit der Zitterbart die Variationen vorspielt, wird noch durch seine lockere Art der Moderation unterstrichen. Dabei nimmt sich der Pianist selbst nicht allzu ernst, und sollte er dennoch in einen belehrenden Stil verfallen, sorgt die Tontechnik für die entsprechende »Erlösung«. Möglicherweise trifft er hier nicht den Geschmack aller Hörer, und vor allem Puristen mögen sich gestört fühlen. da diese Aufnahme aber gar nicht so ernst genommen werden will, kann man die Kommentare auch mit einem großzügigen Lächeln genießen. Insgesamt stellt diese Übersicht ein vergnügliches Spiel mit den Manierismen großer Meister dar, deren Darbietung durch die kunstvolle Ausschöpfung nicht in die Gefahr gerät, in den Klamauk abzugleiten.

klassik.com Oktober 2005, Thomas Richter
www.klassik.com


Grenzen überschritten – neue Crossover-Produktionen

Herrlich amüsieren kann ich mich über die musikalischen Späße, die Pianist Gerrit Zitterbart unter dem Motto »Was machst du mit dem Knie, lieber Brahms« zusammengetragen hat: launig-augenzwinkernde »Parodien im Stile großer Meister« auf Motive wie »Kommt ein Vogel geflogen«, »Lili Marleen« oder »Ein Männlein steht im Walde«.

Audio Oktober 2005, Lothar Brand


Gerrit Zitterbart spielt pianistische Parodien
Das ist doch mal eine witzige und durchaus genialistische Idee: Der Pianist Gerrit Zitterbart hat sich auf die Suche gemacht und ist bei Komponisten wie Siegfried Ochs (bestens bekannt durch seine Variationen über »Karneval von Venedig« für Trompete und Orchester), Karl Hermann Pillney, Hans Priegnitz und Joachim Volkmann fündig geworden. Diese Komponisten haben sich berühmte Gassenhauer oder Volkslieder vorgenommen und diese variiert – im Stile großer wie berühmter Komponisten. So wird von Ochs das Volkslied »Kommt ein Vogel geflogen« im Stile Mozarts, Bachs, Beethovens, Chopins oder auch Wagners variiert. Pillney widmet sich in gleicher Manier dem Hit früherer Zeiten »Was machst du mit dem Knie, lieber Hans?«, Priegnitz hat sich die Melodie »Wie einst Lili Marleen« vorgenommen. Joachim Volkmann setzt dann noch einen drauf mit der Melodie von »Ein Männlein steht im Walde«. Doch warten Sie! Bevor Sie schnell abwertend beurteilen, was diese Komponisten in der zweiten Hälfte des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vollbracht haben, sollten Sie sich diese CD in jedem Fall anhören. Und Sie werden erstaunt sein, mit welcher Konsequenz und mit welchem Einfühlungsvermögen hier die Stilrichtung der berühmten Kollegen getroffen wurde. Die Herren Komponisten haben ihre Vorgänger eingehend studiert und großartige Miniaturen geschaffen, Parodien, wie sie in Zeiten der Komponisten selbst weitaus üblicher waren als heutzutage, wo alles vielleicht ein wenig zu ernst gesehen wird. Und zudem spielt Gerrit Zitterbart diese Variationen derart bravourös, dass man diese CD durchaus als Preziosum pianistischer Stilübungen betrachten kann. Und wenn Zitterbart dann noch vor jeder Variation witzig ansagt, welche Art der Verarbeitung vorliegt, dann macht das Hören einen immensen Spaß und lässt einen unweigerlich staunen und schmunzeln.

Piano News November 2005


»Edition Ohrwurm«! – Selten hat ein Label mit einer Edition so treffend den Anspruch seiner Firmen-Taufe erfüllt wie hier mit Gerrit Zitterbarts klavieristischer Umschau im Land der Komponisten-Travestien, des pianistischen Kabaretts, der volkshochschulischen Wissensvermittlung unter dem akustischen Deckmantel des Augen- und des Ohrenzwinkerns. »Pianistische Parodien im Stil großer Meister« ist diese Sammlung zu Recht überschrieben – und nicht wenige Musikfreunde werden die Orchesterfassung von Siegfried Ochs’ Variationen über ein deutsches Volkslied schon mit detektivischem Schmunzeln genossen haben. Doch bei dieser Gelegenheit beschränkt sich der Vortrag »im Stile älterer und neuerer Meister« auf die abstrakte, aber doch handliche Philharmonie eines Klaviers. Zitterbart moderiert die einzelnen Verfremdungen, Verkleidungen und Umschminkungen von Es kommt ein Vogel geflogen, er kommentiert und relativiert die getarnte Wirklichkeit eines Gassenhauers, wie ihn der komponierende Pianist Hans Priegnitz lustvoll, hintersinnig auf bekannte Meister projiziert hat. In der launigen Tat: eine Rundreise durch die Musikgeschichte, eine Stilübung in insgesamt 52 Einzelteilchen – unbekümmert und zugleich gekonnt sich gekümmert serviert von einem Interpreten, dessen Bart bei dieser Gelegenheit ganz offenkundig vor Vergnügen zittert.

Klassik heute November 2005, Peter Cossé  
 
Impressum | AGB